Vor zwei Jahren bin ich von einem Brief vom Landgericht Hamburg überrascht worden. Ich dachte erst, ich hätte vergessen, einen Strafzettel zu zahlen. Aber nein, ich wurde als ein möglicher Kandidat für die Schöffentätigkeit ausgewählt. Ich habe dann erst einmal gegoogelt, was das überhaupt ist. Nach einem Auswahlverfahren wurde ich dann zum Ersatzschöffen benannt, so eine Art “Vertretungsschöffe”, der immer zum Einsatz kommt, wenn die Hauptschöffen nicht eingesetzt werden können. Ich bin also quasi ein Hilfssheriff ohne Cowboy-Hut.

Ich war vor meiner ersten Verhandlung super aufgeregt und habe mich gefragt, was mich wohl erwartet. Ich habe mich natürlich ein bisschen in Schale geworfen und bin dann viel zu früh zum Strafgerichtsgebäude gefahren. Das alte Gebäude selbst war schon ein Erlebnis: Die hohen Decken, die langen Gänge, die alten verzierten Türen und dazu das ganze Sicherheitspersonal. Bei der Anmeldung wurde ich sehr nett empfangen und mir wurde genau erklärt zu welcher Strafkammer ich gehen muss. Der Richter in seiner Robe sah ebenfalls beeindruckend aus. Aber noch beeindruckender war, wie freundlich und geduldig mir alles erklärt wurde. Ich hatte nie das Gefühl mit meinen Fragen zu nerven, und ich hatte viele Fragen.

Mein spannendste Verhandlung war gleich die erste. Es ging um Körperverletzung und Sachbeschädigung. Man hat ja als Laie, der kaum Berührungen mit dem Gericht hat, keine Vorstellung darüber, wie so eine Verhandlung abläuft. Ich war total überrascht, wie detektivisch die Tätigkeit des Richters und auch der Schöffen ist. In der Verhandlung wurden verschiedene Personen angehört und vom Richter akribisch befragt. Danach haben wir uns zu viert, der Richter, sein Assistent, ein zweiter Schöffe und ich, nach jeder Befragung in einen Hinterraum zurückgezogen und alle Details der Aussage besprochen. Dabei bestand die größte Herausforderung für mich darin, die verschiedenen Aussagen der Befragten gedanklich zu sortieren und einzuordnen, um so ein klares Bild vom Tathergang zu bekommen. Das war im Grunde wie in einem Krimi, in dem man den Plot der Geschichte wie bei einem komplizierten Puzzle selbst zusammenfügen muss, nur dass immer ein paar Teile fehlen. Diese Gespräche mit dem Richter und den anderen waren super spannend und haben mein Verständnis vom Gericht völlig verändert.